5.Tag – Mt. St. Michel

31.8.2005 – Ausflug nach Mt. St. Michel, dem Klosterberg

Heute morgen war keine Tau auf den Mopeds. Das ist ein schlechtes Zeichen, wenn es morgens schon drückend ist, wird es fürchterlich, und so sollte es auch kommen. Über die Dörfer fahrend überqueren wir den Fuß der Halbinsel Cotentin, durch eine im Reiseführer als typisch für die Normandie beschriebene Landschaft. Kleine Dörfer teils mit den typischen Fachwerkhäusern. Landstraßen von Hecken gesäumt. Die Landschaft erinnert mich sehr an die Gartenlandschaft der englischen Midlands. Hecken, Weiden mit Milchvieh oder Charolay Fleischrindern unter Apfelbäumen. Alles duftet nach frischen Heu oder abgeerntetem Kornfeld. Durch die schwere, feuchte Luft ist der Duft der Landschaft besonders intensiv. Wir begegnen beängstigend überladenen Erntewagen mit 3 Lagen runder Strohballen und darauf noch in der Mitte eine weitere. Ich ziehe jedes mal reflexartig den Kopf ein und bin immer heilfroh wenn ich an so einer Wahnsinnsfuhre vorbei bin.

Nach zweieinhalb Stunden Fahrt in drückender Schwüle bei knapp 30° taucht die Bucht (es ist gerade Ebbe) mit dem heiligen Berg im Dunst auf. Wir müssen allerdings noch um die halbe Bucht herum fahren bis wir die Straße zur Küste und zum Damm mit den Parkplätzen erreicht haben. Zum Glück wirken Bernds Überredungskünste beim Parkwächter und wir dürfen bis zum Hotelparkplatz direkt unter dem Berg fahren (Wir wollten ja nur ein paar Fotos für ein Motorradmagazin machen). Dort parken wir und Bernd bleibt bei den Mopeds, weil er sich den Rummel nicht antun will. Das hat natürlich den Vorteil, daß wir jeglicher belastender Klamotten ledig uns ins Getümmel stürzen können.

TouristenmassenDu hast schon Rocamadur gesehen?, Du warst schon in der Drosselgasse in Rüdesheim?, Du warst schon auf dem Oktoberfest und dem Christkindlesmarkt?, Du warst schon in Tokio während des Sommerschlußverkaufs auf der Ginza? Vegiß alles was Du je erlebt hast! Hier steppt der Bär! Nach den ersten 100 m bin ich sicher, mich zwischen Hokkaido und Okinawa auf mindestens 300 Fotos wiederzufinden. Von den anderen Orten der Welt ganz zu schweigen. Hier schiebt sich der zierliche 1,50 m große Japaner neben der adipösen Französin, dem schmerbäuchigen Deutschen in Shorts und Sandalen und anderen Prachtexemplaren der Gattung ‚Homo Touristicus‘ Schulter an Schulter durch die engen Gassen des heiligen Berges. Die Laden- und Restaurantbesitzer haben statt Pupillen Yen und Euro-Zeichen in den Augen und das ganze wird vom unaufhörlichen Piepsen der elektronischen Kassen und der Handys untermalt.

KapelleBislang wundert es mich, das man hier so ganz ohne Eintritt reinkommt. Aber das hat System, wie sich nach dem erklimmen des Gipfels über endlose Treppen zeigt. Oben angekommen gibt es dann nämlich doch ein Kassenhäuschen wo man für einige Euros den Eintritt in die eigentliche Kirche erhalten kann. Ich zieh es allerdings vor von hier aus den Abstieg in Angriff zu nehmen. Dieser führt auf einem anderen Weg runter und so kommen sich die Besucherströme erst einmal nicht in die Quere. Erst weiter unten, kurz vor dem Ausgang, wird es eng.

Ich bin mal wieder der letzte, der am Parkplatz ankommt. Leicht gegrillte Biker erwarten mich bereits. Mea Culpa. Wir starten wieder in Richtung Arromanche, müssen allerdings vorher noch dringend tanken, da Peters Trike schon seit 20 km nur noch mit den Ausdünstungen der Tankwände fährt. Auf der Tanke angekommen geht auch prompt der Boxer aufgrund akuten Benzinmangels aus und lässt sich zu keiner weiteren Arbeit mehr bewegen bevor nicht getankt ist. In Arromanche sind wir dann zwei Stunden später nach schneller Fahrt endlich angekommen. Gottseidank ohne Regen oder Gewitter. „Die Dusche ist mein“ spricht der Mopedfahrer und genießt. Zuerst die Dusche dann ein Bier, oder auch ein paar mehr. Als wir so vorm Hotel sitzen schlägt plötzlich der Wind um und es wird kalt. Wolken ziehen auf. Es regnet allerdings immer noch nicht. Mal sehen was das so wird.

Noch ein paar Infos zu Mt. St. Michel:

Eines der berühmtesten Bauwerke Frankreichs und das Wahrzeichen der Normandie ist der legendäre „magische Glaubensberg des Abendlandes“. Auf einem Kreisrunden Granitkegel in der Bucht von Mt. St. Michel gelegen und mit einer Höhe von 150 m schon von Weitem sichtbar, sind es heute 3,6 Mio Touristen jährlich die sich von ihm faszinieren lassen.

Die Bucht jedoch droht zu verlanden. Ein groß angelegtes Bauprojekt (134 Mio Euro) soll bis 2008 die einstige Insel dem Meer zurückgeben. Das zu den Parkplätzen befestigte Watt wird renaturiert, die Schleuse zum Fluß Couesnon soll geöffnet werden und ein neues System von Staukammern wird das Wasser bei Flut zurückhalten um dann bei Ebbe den Sand fortzuspülen. Der Mt. St. Michel wird also bald seinen Inselcharakter zurückgewinnen. Auf einer schmalen Brücke wird eine elektrische Bahn die Touristen übersetzen. Parallel dazu werden zwei Fußwege (Einbahn!!) verlaufen.

Soviel zur sicher kosten trächtigeren touristischen Zukunft, denn die Bahn dürfte auch nicht gratis fahren. Und jetzt etwas zur Vergangenheit:

Nach der Überlieferung erhielt Bischof Aubert von Avranches 708 vom Erzengel Michael den Auftrag auf dem Mont Tombe (Grabesberg) eine Kapelle zu errichten. Die Gründung des Benediktinerklosters erfolgte 966 und im Verlauf der Jahrhunderte entstand ein sakrales Bauwerk nach dem anderen. Seit 1979 steht die Klosterburg auf der Liste der Unesco als Weltkulturerbe.

Wie der geneigte Leser unschwer feststellen kann, hat der Erzengel nichts von Touristenrummel gesagt!

Anzumerken ist noch, daß Führungen auf deutsch durch die wirklich sehenswerten Klosteranlagen geboten werden, und wer die Zeit und den Mut hat solange in diesem gottlosen Touristenrummel auszuharren, bevor die nächste Führung beginnt, sollte die Gelegenheit unbedingt wahrnehmen. Ich jedenfalls habe mir vorgenommen, diesen Versuch mal weit außerhalb der Saison zu starten. Ich schätze, dass in der Hochsaison bis zu 40.000 Touristen an Spitzentagen hier einfallen.

Hinweis

Der kursive Text sind Auszüge aus den Reiseführern ‚Normandie‘ v. Hans Otzen aus d. Serie „Reise Know How“, aus dem Marco Polo Reiseführer Normandie, sowie aus dem Michelin Reiseführer.

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