Tag 5: von Harran nach Krokstrand, ca. 325km
Immer wenn man über Norwegen redet kommt man auf die Fernstraße E6 zu sprechen. Man hört Geschichten, wie schlecht die zu fahren ist, wie langweilig das ist und überhaupt sollte man die Straße meiden. Das sind tolle Aussichten für unseren Tage heute, denn wir müssen 325km nach Norden auf dieser Straße hinter uns bringen. Wir sind aber auf alles vorbereitet, warm angezogen (das Thermometer zeigt ganze 8°) und voller Tatendrang.
Allerdings müssen wir wieder erst die Hütte in einen bewohnbaren zustand bringen und den Abwasch erledigen. Dann noch schnell den Schlüssel zur netten Betreiberin von Harran Camping bringen und die Motorräder an der Tankstelle direkt vor der Tür voll machen. Es nieselt ab und zu leicht aber das kann uns jetzt nicht weiter aufhalten. Los gehts. Schon auf den ersten Kilometern begrüßt uns die E6 mit einer abwechslungsreichen und schwungvollen Streckenführung. Manchmal ist sie zwar etwas enger als eine normale Landstraße aber bis jetzt ist sie sehr gut zu fahren. Der Verkehr Richtung Norden hält sich in Grenzen und uns kommt auch nicht sehr viel entgegen. Da habe ich deutlich schlimmeres erwartet. Spätestens im Nordland lässt der Verkehr weiter nach und wir kommen zügig voran.
Gegen Mittag ist es Zeit mal wieder nach einem Platz für einen Stopp zu suchen und so machen wir Halt in Mosjøen am Vefsnfjord. Eine nette kleine Stadt mit einem hübschen alten Kern direkt am Wasser. Hier schlendern wir durch die Sjøgata, eine der längsten alten Holzhäuserreihen der Welt und genießen einen Kaffee.
Norwegen hat gewusst, das wir kommen und so haben sie den Korgfjelltunnel (E6) wegen Bauarbeiten geschlossen. Anhalten müssen wir aber sowieso, da Daniels Motorrad erbärmliche Geräusche von sich gibt. Erste Diagnose: Stein im Bremssattel aber nach dem der Demontiert war fand sich ein Krümel zwischen Schwinge und Bremsscheibe. Blöder Winzling. Wir müssen nun der Umleitung folgen und auf den alten Europavegen über den Berg und bekommen so, zu Daniels und Carlos besonderen Freuden, eine extra Portion Kurven. Ich habe das nachträglich zu einem festen Bestandteil der Route gemacht. Oben liegt noch Schnee aber es findet sich spontan kein Halteplatz für eine Schneeballschlacht. Runter vom Berg, direkt hinterm Tunnelausgang ist dann wieder Baustelle und wir müssen wieder mal 10 Minuten auf die Eskorte warten die uns an den Teermaschinen vorbei bringt.
Ein paar Meter weiter gibt es wieder mal einen Garmin Bug zu bewundern. Die haben es einfach nicht so mit den nördlichen Gefilden. Bei erreichen von N66 09.00 (bei Bjerka auf der E6) gehen unsere Navigationsgeräte spontan in den Nachtmodus. Sollten wir Garmin mitteilen, das heute der längste Tag des Jahres ist und die Sonne hier gar nicht untergeht? Zumindest stürzen sie nicht ab. Früher gab es mal einen Garmin Bug, wo sich die Geräte nördlich des Polarkreis nicht mehr einschalten ließen. Aber zum Glück kann man die Ansicht manuell auf Tag einstellen und so ist es für uns kein großes Problem.
Wir haben heute mal zur Abwechslung ein Hotel, 20km vor dem Polarkreis. Gebucht hatten wir bereits im Voraus da nicht sicher war ob was auf dem Hüttenplatz frei ist. In der Nähe ist jedenfalls nichts weiter, so das wir sicher gehen wollten. Wir bringen schnell die Sachen auf das Zimmer und wollen etwas im Restaurant unten essen, denn wir wollen heute Abend noch zum Polarkreis. Das Visitor Center hat bis 22Uhr offen und das wollen wir schaffen. Also den teuersten Hamburger meines Lebens bestellt, mit Pommes und 0,5l Softdrink für lumpige 22€. Aber man gönnt sich ja sonst nichts und geschmeckt hat er auch.
N66.33 – Wir sind am Polarkreis
Ein kleiner Rundum-Blick am Visitor Center
Dann jetzt aber schnell los zum Saltfjellet. Just in Time erreichen wir den Polarkreis. Das Wetter spielt mit und der Himmel reißt auf. Leider steht ein Berg im Weg, so das es hier mit Mitternachtssonne nichts wird. Aber in den nächsten Tagen ist dafür noch Gelegenheit. Wir denken an unsere Verwandten und schreiben die Obligatorischen Postkarten die in den riesigen Briefkasten im Shop wandern. Wir befinden uns auf fast 700m Höhe, es weht eine steife Briese und es wird empfindlich kalt. Am nächsten Tag sehen wir oben auf dem Saltfjellet Biker, die im Zelt übernachtet haben. Respekt.
Die ganzen Statuen und Erinnerungstafeln zum Polarkreis stehen aber nur für die Touristen da. Der eigentliche Polarkreis ist nicht markiert und liegt etwas abseits südlich des Parkplatzes, ein paar Meter hinter den Wohnmobilen, die da oft stehen, mitten in der Tundra. Der GPS Empfang war hier oben sehr gut und so konnte man die Stelle nach ein wenig suchen sehr gut ermitteln. Irgendwie musste ich das dann doch mal auf einem Foto festhalten. Hinter dem Visitor Center haben sich in all den Jahren die Touristen betätigt und Steine zu Steinmännchen gestapelt, so das eine recht eigentümlich Landschaft entstanden ist. In Skandinavien sind Steinmännchen verbunden mit dem Volksglauben an boshafte Trolle. Steinmännchen sollen hier Wanderer vor ihnen schützen; deshalb legen viele einen weiteren Stein auf bereits existierende Steinmännchen.
Uns zieht es nach etlichen Fotos in die warmen Betten. Wir werden noch vor Rentieren gewarnt, die an der Straße grasen und machen uns erst mal auf den Weg zurück nach Krokstrand. Es bleibt Tag-hell aber das ist die erste Nacht in der ich wie ein Stein schlafe.
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